Im Brief 49/11 hatte ich einen internationalen Steuervergleich vorgestellt

Im Brief 49/11 hatte ich einen internationalen Steuervergleich vorgestellt

Jetzt untersuchte der Bundesrechnungshof Arbeitnehmer-Steuererklärungen. Das Ergebnis seines Berichtes fällt für die Finanzverwaltung verheerend aus. Was sich bei uns abspielt, erinnert in vielen Fällen an griechische Verhältnisse. Die Fehlerquoten der Beamten erreichen zum Teil schwindelerregende Höhen. Einige Ämter ließen steuerlich relevante Sachverhalte komplett ungeprüft. Sie führten regelrechte „Durchwinktage“ oder gar „grüne Wochen“ ein.

Die vom Rechnungshof aufgedeckten Schwachstellen laden Steuerzahler zum Tricksen geradezu ein. So werden haushaltsnahe Dienstleistungen regelmäßig anerkannt, ohne die Voraussetzungen zu prüfen. Bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erwies sich gut die Hälfte der km-Angaben als überhöht.

Vollständig versagt hat die maschinelle Vorkontrolle der Kosten für eine doppelte Haushaltsführung:

Die Stichproben des Bundesrechnungshofs ergaben hier eine Fehlerquote von sage und schreibe 100 %. Beim Verpflegungsmehraufwand wurden im Schnitt um 1.233 € zu hohe Werbungskoosten durchgewunken.

Sind falsche Angaben zu Fixkosten erst einmal anerkannt, werden sie fortan auf Dauer festgeschrieben. Das Computerprogramm wird sie dann auch in den Folgejahren akzeptieren und keinen Alarm auslösen. Zur Freude aller Steuerzahler, die sich einmal zu ihren Gunsten „vertan“ haben.

Den meisten Beamten ist deshalb kein Vorwurf zu machen. Sie sind vom Arbeitsanfall schlicht überfordert. Zudem sind viele Bestimmungen des Steuerrechts lang und umständlich formuliert, rügt der Rechnungshof. Allein durch Gesetzesänderungen zur Einkommensteuer ergeht im Schnitt jede Woche ein neues BMF-Schreiben. Nicht nur die Anzahl, sondern auch der Umfang bereitet den Finanzämtern zunehmend Schwierigkeiten. Viele Gesetze seien so schwer verständlich, dass sich ihr Inhalt auch durch mehrfaches Lesen nicht erschließe.

Das Steuerrecht, so der Appell des Bundesrechnungshofs, müsse endlich vereinfacht werden. Indes:

Ministerialbürokratie und Gesetzgeber werden sich auch von diesem Bericht nicht beeindrucken lassen. Unser Steuersystem hat eine Eigendynamik entwickelt, die niemand mehr abbremsen kann – oder will. Kommt jemand wie Paul Kirchhof mit radikalen Vereinfachungsvorschlägen, wird er nur ausgelacht.

Aber auch bei den Bürgern macht sich der Ex-Bundesrichter nicht beliebt. 543 Privilegien will er streichen.

Jeder soll gleich viel Steuern zahlen, nämlich 25 %. Steuergestaltungen würden dadurch unmöglich. Gerade deshalb hat der Vorschlag keine Chance, denn die Steuerschraube ist Lieblingsspielzeug der Parteien. Jede von ihnen versucht, mit dem Steuersystem als zentralem Wahlkampfthema Klientelpolitik zu betreiben.

(Der Deutsche Wirtschaftsbrief 04/2012)

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