Bundestagswahl: Neues Wahlrecht
Ein jahrelanger parlamentarischer und rechtlicher Streit hat sein Ende gefunden. Wenn die Wähler im September den nächsten Bundestag wählen, werden sie dies mit einem neuen Wahlrecht tun. Dabei beziehen sich die Neuerungen im Kern auf die Behandlung von so genannten Überhangmandaten.
Das bedeuten Erst- und Zweitstimme
Schon seit Jahren monierten die Verfassungsrechtler die Handhabe der Parteien mit Erst- und Zweitstimme. Diese folgen aus dem personalisierten Verhältniswahlrecht, nach dem in Deutschland gewählt wird. Konkret bedeutet dies: Mit der Erststimme entscheiden Wähler, welcher Kandidat in ihrem Wahlkreis direkt in den Bundestag einziehen soll.
Mit der Zweitstimme bestimmt der Wähler dann die Partei, der er ein größeres Gewicht im Parlament zusprechen will. Das Problem: Nach dem bisherigen Wahlrecht konnte es zu den angesprochenen Überhangmandaten kommen. Diese entstehen, wenn eine Partei mehr Erststimmen und damit Plätze im Parlament erhält, als ihr nach dem Verhältnis der Zweitstimmen zusteht. Ein Beispiel:
Eine Partei kann durch Erfolge bei den Erststimmen 90 Abgeordnete ins Parlament schicken. Nach dem prozentuellen Verhältnis der Zweitstimmen stünden ihr aber nur 88 Plätze zu. Es kommt zu zwei Überhangsmandaten auf Kosten der politischen Wettbewerber. Noch komplizierter wird es, wenn es um Verrechnungen zwischen unterschiedlichen Bundesländern geht.
Verrechnungen verzerrten Kräfteverhältnis
Denn nach bisherigem Recht konnten Überhangmandate nicht verrechnet werden, Zweitstimmenmandate schon. Ein damals mögliches Szenario: Die SPD hatte in einer früheren Bundestagswahl 247 Mandate nach Zweitstimmen gewonnen. Im Bundesland Brandenburg gab es dabei 10 Zweitstimmenmandate und ein Überhangmandat. In Bremen gab es zwei Zweitstimmenmandate.
Hätten in Brandenburg nur 50.000 Wähler ihr Kreuz nicht bei der SPD gemacht, wären es 9 Zweitstimmenmandate und ein Überhangmandat gewesen. Dann hätte Bremen aufgrund der veränderten Sitzverhältnisse zwischen den Bundesländern 3 Mandate bekommen. Aus insgesamt 12 Sitzen wären also 13 geworden. Kein Wunder, dass selbst die vor zwei Jahren von der Regierungskoalition durchgedrückte Wahlrechtsänderung vor dem Verfassungsgericht ebenfalls kein Bestand hatte.
Mehr Gerechtigkeit durch Ausgleichmandate?
Das dürfte nun anders sein. Denn mit vier von fünf Bundestagsfraktionen hat das nun verabschiedete Wahlrecht eine deutliche parlamentarische Mehrheit hinter sich. Der Kernpunkt dabei: Zwar werden die Überhangmandate nicht abgeschafft. Doch dafür erhalten alle anderen Parteien so genannte Ausgleichsmandate, um insgesamt das Kräfteverhältnis nach den Zweitstimmen wieder herzustellen.
Ein typisch politischer Kompromiss, bei dem vor allem eins auf der Strecke bleibt: Das Geld der Steuerzahler. Denn es ist zu erwarten, dass das Parlament durch das neue Wahlrecht von momentan 598 Sitzen auf über 670 Sitze aufgebläht wird. Also es wird Dutzende neue Abgeordnete geben, die ebenfalls finanziert werden müssen. In Zeiten, wo jeder zum Sparen aufgefordert wird, ist das kaum zu vermitteln.
Mit besten Grüßen
Carsten Müller
Redaktion deutscher-wirtschaftsbrief.de
Bildnachweis: Gevestor
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