2016: Der Anfang vom Ende von Euro-Zone und EU?
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“Wirtschaft-vertraulich”:
Liebe Leser,
viermal werden wir noch wach … In Abwandlung des bekannten Weihnachtszählspruchs möchten wir Sie heute in der neuen Ausgabe von „Wirtschaft-vertraulich“ schon einmal auf das neue Jahr einstimmen, das uns in dieser Woche „beschert“ wird.
Schon in den vergangenen Wochen haben wir das eine oder andere Mal versucht, aktuelle Themen und deren Perspektiven in das kommende Jahr fortzuschreiben. Heute nun ein Blick auf etwas ganz Grundsätzliches. Denn: Die Euro-Zone, unter Umständen sogar die gesamte EU, könnte 2016 am Scheidewege stehen. Um es noch dramatischer auszudrücken: 2016 konnte den Anfang vom Ende bringen.
Europa taumelt von Krise zu Krise
Die offensichtlichen Gründe dafür zeigen sich in den aktuellen Krisen. Blickt man auf die letzten fünf, sechs Jahre, handelt es sich um eine Abfolge mittlerer bis großer Krisen. Erst die Nachwehen der Finanzkrise, dann die Eurokrise, Griechenland, Brexit, Grexit und nun auch noch die Flüchtlingskrise inklusive bedenklicher Tendenzen in Ungarn und Polen. Selbst in politisch stabilen Zeiten ein Mammutprogramm, dass alle Beteiligten an den Rand ihrer Kapazitäten bringen würde.
Doch zeigt sich nun immer mehr, wie durch die Erweiterung von EU und Euro-Zone in den letzten 20 Jahren die Abstimmungs- und Durchführungsprozesse von gemeinschaftlichen Problemen immer schwieriger und ineffizienter geworden sind. Mit dem Ergebnis, dass überall nationalorientierte Kräfte erstarkt sind und – ob man nun deren Forderungen und Politikansätze zustimmt oder ablehnt – mit ihrem Wirken den Finger in die größte Wunde Europas legen: Dass das Europaprojekt längst nur noch zu einem Projekt der Eliten geworden ist und dabei vergessen hat, die Menschen mitzunehmen.
Das Projekt der Eliten droht zu scheitern
Nun: Selbst das würde noch längst nicht die Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns erhöhen. Denn wenn die Eliten in der Lage wären, den Menschen einen Nutzen zu erklären oder zumindest nachhaltig vorzugaukeln, würde es noch lange dauern können, bis das Projekt ernsthaft hinterfragt würde. Doch die aktuellen Krisen haben eins getan: Die Friktionen zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten deutlich zu erhöhen.
Heutzutage gewinnt man in nationalen Parlamentswahlen nicht mehr mit der Vision eines geeinten Europas, sondern mit der Selbstbehauptung gegen „Brüssel“ als Sinnbild eines nicht gewollten und nicht legitimierten Zentralstaates. Letztlich sind die heutigen Politiker einerseits keine Europa-Visionäre mehr, andererseits von eigenen nationalistischen Kräften getrieben. Was am Ende die Kompromissbereitschaft stetig einschränkt – siehe aktuell vor allen in der Frage der Flüchtlings-Verteilung.
Keiner will mehr Deutschland folgen
Hinzu kommt, dass die originären Machtverhältnisse in der EU / Euro-Zone immer mehr hinterfragt werden. Viele Länder wollen Deutschland als größter Wirtschaftsmacht Europas nicht mehr folgen, was auch an der sehr fragwürdigen Politik der Bundesregierung in letzter Zeit liegt. Doch Emanzipations-Prozesse, wenn man es so bezeichnen will, haben den Keim einer Trennung in sich. Ob letztlich die heute Verantwortlichen in der Lage sind, das unter der Decke zu halten, erscheint sehr fraglich.
Es fehlt wohl nur noch ein Tropfen für das übervolle Fass
Fazit: Probleme und Risiken wird es auch im neuen Jahr genügend geben. Vor allem die Frage nach einem Austritt Großbritanniens aus der EU oder weiteren Zugeständnissen an die Britten wie auch die anstehenden parlamentarischen Diskussionen in Finnland zum Verbleib in der Euro-Zone bergen viel Sprengstoff in sich. Ganz abgesehen davon, dass von den oben genannten Krisen nicht eine tatsächlich und abschließend gelöst ist.
Deshalb: 2016 kann in die eine oder die andere Richtung zum Jahr schwerwiegender und nachhaltiger Entscheidungen werden. Wie Sie und Ihr Vermögen durch die aufziehenden Stürme kommen, werden wir weiterhin hier im Newsletter und im Deutschen Wirtschaftsbrief besprechen.
Mit besten Grüßen
Ihr Redaktionsteam „Wirtschaft-Vertraulich“, aus der Redaktion des Deutschen Wirtschaftsbriefs
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