Banken können bald weniger tricksen

Bald mehr Grundsatzentscheidungen des BGH

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“Wirtschaft-vertraulich”:

Ab nächstem Jahr könnte es vor Deutschlands oberstem Zivilgericht sehr interessant werden.

Dies betrifft eine gängige Praxis, die Banken und Versicherungen bisher bei Zivilprozessen verfolgen.

Zu Ihrer Einordnung: In Zivilprozessen wird nicht von Staats wegen auf ein Urteil hingearbeitet.

Vielmehr sind die Prozessparteien jederzeit Herr des Verfahrens. Sie können dieses vorantreiben oder durch bestimmte Handlungen beenden.

 

Wenn es in Revision geht

Besonders virtuos bedienen sich bislang Banken und Versicherer der Möglichkeiten, wenn gegen sie Schadenersatzklagen laufen.

Geben die Kläger, meist Kleinanleger oder Verbraucherschutzverbände, in den ersten Instanzen nicht klein bei, kann es auch schnell bis zum Bundesgerichtshof gehen.

Das dort dann anhängige Revisionsverfahren könnte normalerweise nach Ansicht von Juristen zwei zusätzliche Aufgaben erfüllen:

  • Weiterentwicklung des Rechts
  • Klärung von spezifischen offenen Rechtsfragen

Dabei ist bislang die mündliche Verhandlung meist entscheidend für die Beurteilung durch die Bundesrichter. Das Problem:

 

Banken und Versicherer wollen keine Grundsatzentscheidungen

Sobald die Vertreter der beklagten Banken oder Versicherungen erkennen, dass gegen sie geurteilt werden könnte, greifen sie zu einem Trick. Sie nehmen die Revision zurück.

Damit fallen ein Urteil und entsprechend auch eine Begründung zur Sache aus.

Mit erheblichen Rechtsfolgen: Denn andere Kläger können sich nicht darauf berufen. Somit bleibt jeder Fall ein Einzelfall.

Doch ab kommendem Jahr ändert sich das. Quasi im Handstreich wurden die entsprechenden Normen in der Zivilprozessordnung geändert.

 

Neue Normen im Zivilprozess

Die zukünftig entscheidende Gesetzespassage steht im gerade beschlossenen „Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten“. Darin heißt es zur Änderung des § 565 der Zivilprozessordnung:

„Die Revision kann ohne Einwilligung des Revisionsbeklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.“

In der Praxis bedeutet dies: Wenn die mündliche Verhandlung erst einmal begonnen hat, können sich die Banken und Versicherungen nicht mehr still aus einer drohenden Grundsatzentscheidung gegen sie schleichen.

 

Kläger und Beklagte müssen sich zukünftig einig sein

Vielmehr muss der Beklagte – in solchen Revisionsfällen sehr häufig eben der private Anleger oder Verbraucherschutzverbände – der Rücknahme ebenfalls zustimmen.

Sollten die Rollen umgekehrt sein, gilt dabei: Bisher haben die Unternehmen Leitentscheidungen damit abgewendet, dass sie die gegen sie formulierten Forderungen anerkannten.

Nun muss ein damit angestrebtes Anerkenntnisurteil – das ohne Begründung ausgesprochen wird – auch vom Prozessgegner beantragt werden.

Die Folgen dieser neuen Prozessnormen dürften bald sichtbar werden.

Zwar wird es weiterhin Fälle geben, wo Banken beispielsweise mit Abfindungsangeboten einen Prozess beenden und damit Grundsatzentscheidungen verhindern.

Doch gerade bei Musterklagen durch Verbraucherschutzverbände dürfte das nicht funktionieren.

 

Mehr Leitentscheidungen sind zu erwarten

Als Anleger und Bankkunde können Sie nun erwarten: Es wird in Zukunft erheblich mehr Grundsatzentscheidungen durch den Bundesgerichtshof geben.

Damit werden auch die Chancen für Sie steigen, sich bei möglichen eigenen Klagen auf vorhergehende Urteile zu stützen.

Dies ist endlich mal ein echter Fortschritt in Sachen Anleger- und Verbraucherschutz.

Mit besten Grüßen

Carsten Müller
Chefredakteur: „Wirtschaft-vertraulich“ und „www.deutscher-wirtschaftsbrief.de“

Bildnachweis: Gevestor

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