EZB sorgt für lange Gesichter an der Börse

© jochenL.E. / Fotolia.com

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“Wirtschaft-vertraulich”:

Liebe Leser,

die letzten Börsentage dürften uns allen noch in den Knochen stecken. Das, was der Markt am vergangenen Donnerstag erlebte, kann man gut und gern als die Reaktion eines bockigen Kindes verstehen, das seinen Willen nicht bekommen hat. Dabei hatte die Europäische Zentralbank im Grunde genau das getan, worauf im Vorfeld alle spekulierten. Doch:

Sie tat es am Ende nicht im erwarteten – und erhofften – Umfang, so dass sich hier auf den Schlag nicht nur Enttäuschung breit machte, sondern auch eine Re-Dimensionierung der vorangegangenen Bewertungsaufschläge am Kapitalmarkt nötig wurde. Kurz rekapituliert:

 

Zentralbank hat geliefert, aber nicht genug

Die EZB hat von drei möglichen Optionen (wie auch schon in bisherigen Ausgaben des „Wirtschaft-vertraulich“ dargestellt) zwei tatsächlich umgesetzt. Zum einen hat sie den Einlagen-Zinssatz, der quasi als Strafzins für Bankeinlagen bei der EZB wirkt, tiefer ins negative Terrain gedrückt. Zum anderen hat man vorfristig das laufende Anleihenkauf-Programm um sechs Monate bis zum März 2017 verlängert.

Doch waren diese Maßnahmen nicht annähernd das, worauf die Investoren spekuliert hatten. Beim Einlagenzins hatten sie mehr als eine Absenkung um nur 10 Basispunkte auf nun minus 0,30% erwartet. Beim Anleihenkauf-Programm erhofften die Anleger nicht nur eine zeitliche Verlängerung, sondern auch eine Ausweitung der monatlichen Kaufvolumen. Diese liegen derzeit bei 60 Mrd. Euro pro Monat. Ganz besonders forsche Spekulationen rechneten mit Ausweitungen auf 80 bis 90 Mrd. Euro.

 

Liegt die EZB mit ihren zögerlichen Maßnahmen am Ende doch goldrichtig?

Doch das wollte und konnte die EZB nicht liefern. Wobei nun die Diskussion losgeht, ob die Zentralbank ängstlich agiert hat oder viel mehr mit Weitsicht. Tatsache ist, dass man im Vorfeld durch entsprechende Statements durchaus mit dazu beigetragen hatte, dass die Erwartungen im Markt ins Kraut geschossen waren. Andererseits:

Wenn man auf die Inflationsprognosen schaut, die eine der wichtigsten Grundlagen für die Geldpolitik sind, könnte die EZB mit ihren Maßnahmen durchaus richtig liegen. Denn viel von den geringen bis disinflationären Preistendenzen kann aus den weiterhin rekordtiefen Energiepreisen abgeleitet werden. Doch in den kommenden Monaten wird dieser Einfluss zumindest rechnerisch deutlich abnehmen, da dann aktuelle Preisdaten mit Daten aus dem Vorjahr verglichen werden, wo sich dann ebenfalls schon der Ölpreisrutsch bemerkbar gemacht hatte. Also schon aus diesen Zusammenhängen heraus dürften bald die Inflationsraten generell zulegen.

 

Rückschläge bleiben noch Kaufgelegenheiten

Was lässt sich nun aktuell aus dieser Gemengelage ableiten? Die negative Reaktion des Marktes war durchaus berechtigt, weil die EZB selbst dazu beigetragen hatte, hier zu große Erwartungen zu schüren. Doch bleibt auch der Umstand bestehen, dass sich die konjunkturelle Lage in Europa weiter stabilisiert bzw. robust zeigt. Was auch für die nächsten Monate gelten dürfte, wenn die EZB-Maßnahmen weiter an Wirkung entfalten.

Somit wäre der Abgesang auf eine Jahresendrallye wohl noch zu verfrüht. Was wir aus den letzten Tagen lernen können, ist, dass man immer mit entsprechenden Absicherungen unterwegs seins sollte, um heftigere Kursschwankungen abfedern zu können. Doch solche Rückschläge bieten aktuell immer noch vor allem eins: Gute Gelegenheiten, sich neu zu positionieren.

Mit besten Grüßen

Ihr Redaktionsteam „Wirtschaft-Vertraulich“, aus der Redaktion des Deutschen Wirtschaftsbriefs

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