Griechenland: Das Tor zum Grexit ist weit offen

© Digipic / Fotolia.com

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“Wirtschaft-vertraulich”:

Liebe Leser,

was passiert, wenn vollkommen unrealistische Annahmen den eigenen politischen Fahrplan bestimmen, kann derzeit wie in einem Großlabor in Griechenland beobachtet werden. Wobei uns natürlich allen klar ist: Hier wird mit Gegenwart und Zukunft von Menschen gespielt. Und die lassen sich das auch noch freudestrahlend gefallen.

Denn das, was die regierende Syriza mit ihrem am Sonntag durchgeführten Referendum veranstaltet hat, ist nichts anderes als ein vollkommen unkalkulierbares Experiment. Wobei außer Frage stand: Die Griechen haben ein Recht darauf, im Rahmen ihrer nationalen Souveränität darüber abzustimmen, wie sie aus der aktuellen Krise herauskommen wollen.

 

Griechische Regierung spielt mit gezinkten Karten

Dass ein Referendum dazu allerdings vollkommen ungeeignet ist, das als Alternativen auf der einen Seite das „böse und erpresserische Spardiktat Europas“ und auf der anderen Seite eine „stolze“ Abkehr von Entbehrungen etc. anbietet, lag auch so vorher auf der Hand. Nun: Die griechische Regierung hat ihr „Nein“-Votum zu weiteren Sparauflagen erhalten. Doch nun sollte sich schnell zeigen, dass dies mit haltlosen Versprechungen erkauft wurde.

Der, der es in dieser Situation richtig macht, ist der bisherige Finanzminister Varoufakis. Hatte er vor dem Referendum noch erklärt, bei einem Ja (für weitere Sparauflagen) zurückzutreten, hat er diesen Schritt nun auch trotz des gewünschten Ergebnisses vollzogen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Aus unserer Sicht war dieser Entschluss schon vor dem Referendum gefasst worden. Aber wenn wundert es: Erst den Karren in den Dreck fahren und dann stecken lassen und seiner Wege gehen. Das ist auch ein Politik-Ansatz.

Nun will Tsipras binnen 48 Stunden eine neue Vereinbarung mit den Gläubigern aushandeln. Wobei nun schon an den Formulierungen für dieses Zeitfenster herumdiskutiert wird. Schnell ist mittlerweile aus „es wird“ ein „es könnte“ geworden. Und die anderen 18 Euro-Länder wären wohl gut beraten, aus diesem „könnte“ ein „könnte nicht“ zu machen.

 

Euro-Zone kann sich keine dauerhafte Alimentierung leisten

Keine Frage: Griechenland geht es schlecht. Und gerade auf den sozialen Sektoren ist die Decke dessen, was noch abzuknapsen wäre, denkbar dünn. Doch kann es doch auch nicht die Lösung sein, dass die anderen Euro-Staaten, von denen einige deutlich unter den monetären Verhältnissen von Griechenland liegen, Hellas dauerhaft alimentieren. Schon gar nicht, wenn die amtierenden griechische Regierung offen in ihrem Handeln zeigt, dass sie von den bisherigen Regeln im Miteinander der Euro-Zone nichts hält und diese auch nicht einhalten will.

Jedem Euro-Politiker sei es ins Stammbuch geschrieben: Wer jetzt Griechenland noch weiter entgegenkommt, wird das mit seinen nationalen Wählern ausmachen müssen. Und da gibt es nur wenige, die ähnlich phlegmatisch sind wie wir Deutschen. Griechenlands Finanzprobleme scheinen von der Größenordnung mit Hilfe der gesamten Euro-Zone handhabbar zu sein. Doch hier wurde von griechischer Seite seit Monaten das Prinzip (keine weiteren Reformen etc.) zum Verhandlungsargument erhoben und nun sollte die Euro-Zone auch ihrerseits ihr eigenes Prinzip (nämlich kein Geld ohne echte Gegenleistung) verteidigen.

Mit besten Grüßen

Ihr Redaktionsteam „Wirtschaft-Vertraulich“, aus der Redaktion des Deutschen Wirtschaftsbriefs

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