Große Koalition: Koalitionsvertrag kein großer Wurf
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“Wirtschaft-vertraulich”:
Jetzt liegt auf dem Tisch, was auf Sie in den nächsten 4 Jahren von Regierungsseite her zukommen soll. Und ich will es mit einem Sprichwort beschreiben: Der Elefant kreiste und gebar eine Maus.
Nun dürfte das für die meisten von Ihnen kaum eine Überraschung sein. Denn große Koalitionen stehen nun mal im Ruf, eher auf Minimalkonsens ausgerichtet zu sein anstatt auf politische Visionen.
Das aus meiner Sicht allerdings größere Problem: Der vorliegende Koalitionsvertrag deutet die politischen Machtverhältnisse in Deutschland an vielen Stellen regelrecht um.
Denn auch, wenn von den CDU-Verhandlungsführern Gegenteiliges behauptet wird: Im Detail liest sich der Vertrag so, als wäre er im Willi-Brandt-Haus von der SPD-Strategieabteilung geschrieben worden.
Einige Details, die Sie interessieren dürften:
Stichwort Mindestlohn
Dies war eine Kernforderung der Sozialdemokraten, die sich mit 8,50 € auch durchsetzen konnten. Der Kompromiss besteht nur darin, dass er erst ab 2017 generell verbindlich werden soll.
Allerdings zeigt sich, dass es der SPD auch nur um die Besitzstandswahrung geht. Denn Auszubildende und Praktikanten werden ausgeklammert. Ökonomisch ist das zwar nachzuvollziehen. Aber unter dem Strich zeigt sich damit, dass das ganze Gerede von sozialer Gerechtigkeit eher eine leere Worthülse ist.
Stichwort PKW-Maut
Von der CSU vorangetrieben, ist die alte und sehr wahrscheinlich auch neue Bundeskanzlerin Merkel in dieser Frage sang- und klanglos umgefallen. Zwar soll die Maut weiterhin nur ausländische Autofahrer belasten. Doch ich bin mir sicher, dass am Ende alle finanziell bluten müssen.
Nicht nur wegen möglicher Stolpersteine aus dem Europarecht. Vielmehr wird die Politik sehen, dass die von ihr eingeplanten Millionen – im Gespräch sind wohl um die 800 Mio. € – mit dem nur geringen Ausländer-Anteil auf deutschen Straßen nicht erreichbar sind. Ich bin gespannt, wie das dann im für 2014 geplanten Gesetz gelöst wird.
Stichwort Rente
Das ist wohl das Thema im Koalitionsvertrag, wo das größte Wunschkonzert zu hören ist. Die SPD bekommt ihre abschlagsfreie Rente mit 63 (nach 45 Beitragsjahren, was bei den heutigen Arbeitsmarkt-Karrieren allein schon Illusion ist). Die CDU erhält ihre Mütterrente.
Gemeinsam will man dann noch ab 2017 die „solidarische Lebensleistungsrente“ für Geringverdiener mit bis zu 850 € pro Monat einführen. Wer soll das finanzieren? Sie.
Feigheit vor der Basis
Obwohl der Koalitionsvertrag eindeutig die Handschrift der SPD trägt, haben die führenden Genossen immer noch Angst, dass die Basis beim kommenden Mitglieder-Votum Nein sagt.
Deshalb sollen auch bis nach der Abstimmung nicht die Namen der angehenden Minister genannt werden. Denn bei einem Nein müssten diese ja nahezu automatisch zurücktreten. Soviel politische Feigheit macht sprachlos.
Insgesamt wird diese große Koalition, wenn sie denn kommt, Deutschland kaum voranbringen. Da könnte man sich fast eher wünschen, dass die Koalition platzt, ehe sie ihre Arbeit aufnimmt. Neuwahlen oder eine konservative Minderheitsregierung könnten hier durchaus mehr bieten.
Mit besten Grüßen
Carsten Müller
Chefredakteur: „Wirtschaft-vertraulich“ und „www.deutscher-wirtschaftsbrief.de“
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