Öl und Inflation – Wie stellt sich die EZB auf?

Wie wird die EZB mit dem niedrigen Ölpreis und der daraus folgenden geringen Inflation umgehen?

Wie wird die EZB mit dem niedrigen Ölpreis und der daraus folgenden geringen Inflation umgehen?

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“Wirtschaft-vertraulich”:

Liebe Leser,

wenn heute die Europäische Zentralbank zusammentritt, sollten Sie als Anleger genau hinhören. Denn die Zentralbänker werden klar zu erkennen geben müssen, wie sie weiter mit der Inflation in der Euro-Zone bzw. deren faktisches Nicht-Vorhandensein umgehen wollen.

Wobei eins klar ist: Die direkten Ursachen für die derzeitige Mini-Inflation in der Euro-Zone sind von der EZB direkt nicht zu beeinflussen, müssen aber dennoch mit einkalkuliert werden. Dabei geht es in erster Linie um den Einfluss der Energiepreise, sprich dem bisher stetigen Verfall der Ölpreise.

 

Der niedrige Ölpreis als Wettbewerbs-Instrument

Seit Mitte Juni hat sich der Ölpreis auf dem Weltmarkt um rund 40% verbilligt. Mit aktuellen Preisen um die 70 US-Dollar je Fass hat der Ölpreis nahezu ein 5-Jahres-Tief erreicht. Trotzdem hat die OPEC (Organisation Erdöl exportierender Länder) in der letzten Woche beschlossen, die bisherigen Förderquoten auf dem aktuellen Niveau zu belassen. Eine Verringerung – so sind sich alle Experten einig – hätte dagegen zu einem Preisanstieg geführt.

Federführend für die Absage an eine Angebots-Verknappung war dabei Saudi-Arabien, der größte Ölförderer innerhalb der OPEC. Vermutet wird, dass Saudi-Arabien dadurch vor allem unliebsame alte Konkurrenten außerhalb des Kartelles – wie Venezuela und Russland – unter Druck bringen will, andererseits auch die amerikanische Konkurrenz aus dem neuen Fracking-Geschäft klein halten will.

 

Geringe Energiekosten sind kleines Konjunkturprogramm

Die westlichen Politiker lassen dabei Saudi-Arabien gern gewähren. Denn ein niedriger Ölpreis wirkt sich wie ein kleines Konjunkturprogramm aus. So schätzt der Internationale Währungsfonds, dass die gesunkenen Energiepreise über die Entlastung der Unternehmen zu einem durchschnittlichen Wachstumsschub um rund 0,8 Prozentpunkte in den meisten Industrieländern führen könnten.

Dass die EZB also die generellen Einflüsse der niedrigen Energiepreise nicht verdammt, liegt auf der Hand. Aber es ist natürlich klar, dass die dadurch nach unten gedrückte Inflation andere Effekte bringt. Welche Gefahr eine niedrige Inflation bzw. sogar eine Deflation für eine Volkswirtschaft darstellt, hatte ich Ihnen in der letzten Woche dargestellt.

 

EZB muss Folgen einer geldpolitischen Intervention abschätzen

Für die EZB besteht nun die Aufgabe, gegenzusteuern, ohne ein späteres Überschießen in eine zu hohe Inflation zu riskieren, falls sich die Energiepreise wieder erhöhen. Ein geldpolitischer Drahtseil-Akt, der an der Börse auch schnell für Enttäuschung sorgen kann. Nämlich dann, wenn sich die EZB entschließt, trotz vorheriger vollmundiger Versprechen erst einmal weiter abzuwarten.

Mein Rat an Sie als Anleger: Agieren Sie derzeit eher defensiv. Zwar sieht die allgemeine Marktlage sehr freundlich aus. Doch wenn die EZB nicht das liefert, was allgemein erwartet wird – eine noch lockerere Geldpolitik – dürfte die folgende Enttäuschung zu umfassenden Gewinnmitnahmen führen. In solch einem Umfeld sollte Ihre Konzentration weiterhin auf soliden Dividendentiteln liegen, die auch solche möglichen Börsenstürme meist besser verkraften.

Mit besten Grüßen

Carsten Müller
Chefredakteur: „Wirtschaft-vertraulich“ und „www.deutscher-wirtschaftsbrief.de“

Bildnachweis: Gevestor

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