Praktikum und Mindestlohn: Eine erste Bilanz nach einem Jahr

© pictonaut / Fotolia.com

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“Wirtschaft-vertraulich”:

Liebe Leser,

haben Sie es gemerkt? Relativ unspektakulär wurde in diesem Monat der erste Geburtstag eines Gesetzes gefeiert, das vor seiner Einführung und danach heiß diskutiert worden war. Es geht um den gesetzlichen Mindestlohn, der seit Januar 2015 in Deutschland 8,50 Euro die Arbeitsstunde beträgt.

Während die Auswirkungen des Mindestlohns auf den Arbeitsmarkt bislang eher sehr moderat erscheinen, weil die deutsche Wirtschaft nach wie vor sehr gut läuft, hat der Mindestlohn bei einem großen Thema durchaus Spuren hinterlassen: Beim Einsatz von Praktikanten.

 

Wann Praktikanten Anspruch auf Mindestlohn haben

Denn seit Jahresbeginn 2015 haben auch Praktikanten unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf die Zahlung des Mindestlohns. Wenn Sie in Ihrem Unternehmen Praktikanten einsetzen, dürfte Ihnen das geläufig sein. Denn wer als Praktikant länger als drei Monate in einem Betrieb arbeitet, muss jetzt mit dem Mindestlohn vergütet werden. Das gilt auch, wenn es sich dabei um ein freiwilliges Praktikum handelt (also kein Pflicht-Praktikum).

Wie sich Arbeitgeber darauf eingestellt haben, zeigt eine neue Studie der Universität Magdeburg im Auftrag der Jobbörse Absolventa und der Personalberatungsfirma Clevis. Interessantes Detail dabei: Der Prozentsatz von Praktikanten, die nun ein Gehalt erhalten, stieg von 94% auf 96%. Was mit dem Vorurteil aufräumt, dass Praktikanten vorher nur als „kostenlose Arbeitskräfte“ gesehen wurden.

 

Auswirkungen des Mindestlohns auf das Praktika-Angebot

Der Mindestlohn selbst hat im Durchschnitt für eine Anhebung der Vergütungen um 10 bis 15% gesorgt. Also auch hier ein eher überschaubarer Effekt. Die größte Änderung gab es laut der Umfrage aber in der Frage, ob überhaupt Praktika von 3 Monaten und mehr angeboten werden, die ja dann bezahlt werden müssen.

Laut den Ergebnissen hat sich die Anzahl der angebotenen Praktika unter 3 Monaten, die nicht unter den Mindestlohn fallen, rund verdoppelt. Aktueller Anteil an den Gesamtpraktika: Rund 21%. Also ein dann doch klarer Nachweis, dass sich die Arbeitgeber auf die neuen Gegebenheiten eingestellt haben.

 

Praktikum bleibt interessantes Mittel zur Bewerber-Auswahl

Dennoch: Für viele Arbeitgeber ist ein Praktikum immer noch ein interessantes Mittel, um auch mögliche Bewerber auf Ausbildungsstellen vorher kennenzulernen. Wobei Sie als Arbeitgeber keine Sorgen haben müssen, dass durch ein vorgeschaltetes Praktikum Ihre rechtlichen Möglichkeiten, insbesondere bei Fragen einer Kündigung des dann Auszubildenden, geschmälert würden.

Das hat auch ein aktuelles Urteil beim Bundesarbeitsgericht gezeigt (Az. VI AZR 844/14). Geklagt hatte ein gekündigter Azubi. Direkt im Anschluss an ein Praktikum hatte er einen Ausbildungsvertrag mit drei Monaten Probezeit bekommen. Kurz vor Ablauf der Probezeit kündigte der Betrieb den Ausbildungsvertrag.

 

Arbeitgeber können aufatmen: Praktika bleibt abgeschlossene Beschäftigung

Der junge Mann klagte dagegen und erklärte, dass die Kündigung nicht rechtzeitig erfolgt sei, da das vorherige Praktikum auf die Probezeit anzurechnen sei. Seine Klage blieb indes erfolglos. Denn die Arbeitsrichter urteilten, dass ein vorausgehendes Praktikum nicht berücksichtigt werden muss. Die Probezeit beginnt erst dann zu laufen, wenn das tatsächliche Ausbildungsverhältnis anfängt. Gleiches würde im Übrigen auch gelten, wenn der Azubi statt eines Praktikums-, einen Arbeitsvertrag gehabt hätte.

Fazit für Sie: Wenn Sie nach neuen Mitarbeitern oder besonders neuen Auszubildenden suchen, bleibt ein Praktikum weiterhin eine gute Wahl, da es finanziell und zeitlich gut zu kalkulieren ist, und spätere negative Ergebnisse zum neuen Mitarbeiter weiterhin im normalen rechtlichen Rahmen korrigiert werden können.

Mit besten Grüßen

Ihr Redaktionsteam „Wirtschaft-Vertraulich“, aus der Redaktion des Deutschen Wirtschaftsbriefs

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