Unternehmer aufpassen bei einem neuen „Merkblatt“ des Fiskus

Wie das Finanzamt versucht, unbescholtene Unternehmer für Umsatzsteuer-Betrug anderer haftbar zu machen

Wie das Finanzamt versucht, unbescholtene Unternehmer für Umsatzsteuer-Betrug anderer haftbar zu machen

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“Wirtschaft-vertraulich”:

Liebe Leser,

kürzlich meldete sich bei uns ein Leser, der von einer neuen „Masche“ des Fiskus berichtete und nachfragte, wie damit umzugehen sei. Dabei ging es um Fragen des Vorsteuerabzugs, von denen er als selbstständiger Unternehmer direkt betroffen wäre.

Hintergrund: Dem Fiskus entgehen geschätzt jedes Jahr rund 15 Mrd. Euro an Steuereinnahmen wegen Umsatzsteuer-Betrugs. Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, hat sich die Finanzverwaltung nun einen Trick ausgedacht. Denn da man meist den Betrügern nicht habhaft wird, will man sich an deren Geschäftspartnern und Kunden schadlos halten, indem man ihnen den Vorsteuerabzug versagt.

 

Kein Merkblatt, sondern eine zweifelhafte Belehrung

Das Mittel dazu ist ein so genanntes „Merkblatt“. Wird ein Betrieb als auffällig eingestuft, soll das Papier zunächst „erläutert“ und danach „ausgehändigt“ werden. Erläuterung und Aushändigung sollen die Unternehmer dann durch Unterschrift auf dem Papier bestätigen. Bei Verweigerung der Unterschrift wird das Merkblatt postalisch zugeschickt.

Doch Steuerexperten und Rechtsanwälte schlagen die Alarmglocken. Denn schon die Bezeichnung als „Merkblatt“ sei irreführend. Denn nicht dem betroffenen Unternehmer soll geholfen werden. Vielmehr ginge es um eine Belehrung mit dem Ziel, Ihnen später im Zweifel den guten Glauben abzusprechen und Sie „böswillig“ zu machen. Was dann bedeuten würde, später den Vorsteuerabzug oder auch Billigkeitsmaßnahmen versagen zu können.

 

Merkblatt widerspricht aktueller Rechtsprechung

Was noch bedenklicher ist: Die im Papier enthaltenen Hinweise widersprechen zum Teil der neueren Rechtsprechung. So hatte schon der Europäische Gerichtshof (C-80/11 u. C-142/11) erklärt, dass der Fiskus von Steuerpflichtigen nicht verlangen kann, dass er folgende Punkte kontrolliert:

  • Ob der Rechnungs-Aussteller Steuerpflichtiger ist.
  • Ob er über die abgerechneten Gegenstände verfügte und sie liefern konnte.
  • Ob er seinen Verpflichtungen hinsichtlich Erklärung und Abführung der Umsatzsteuer nachgekommen ist.

Nicht nur der EuGH hat hier geurteilt. Auch das Finanzgericht Münsters hatte diesbezüglich schon einmal geurteilt, dass zur Versagung des Vorsteuerabzugs dem Einkäufer eine Betrugsabsicht nachgewiesen werden muss (5 V 1934/13 U).

 

Drehen Sie den Spieß um

Wie sollten Sie also darauf reagieren, wenn Ihnen das „Merkblatt“ zugestellt wird? Am besten ist, wenn Sie den Erhalt bestätigen, und zwar per Einschreiben mit Rückschein. Sie sollten dabei angeben, dass Sie die eigenen Ein- und Verkaufsbeziehungen sorgfältig geprüft und keine Auffälligkeiten festgestellt haben.

Gleichzeitig sollten Sie den Fiskus selbst in die Pflicht nehmen. Fordern Sie ihn auf, Ihnen zeitnah mitzuteilen, wenn er andere konkrete Erkenntnisse hat. Begründen Sie dies damit, dass sich dadurch eventueller Schaden vom Unternehmen abwenden lasse. Das setzt den Fiskus unter Zugzwang.

Denn: Schweigt er trotz bestehender Verdachtsmomente, könnte das später zu einer Staatshaftung führen.

Mit besten Grüßen

Ihr Redaktionsteam „Wirtschaft-Vertraulich“, aus der Redaktion des Deutschen Wirtschaftsbriefs

Bildnachweis: Gevestor

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