Insolvenzanfechtung: Eine Reform ist dringend nötig

© Oleg Golovnev / Fotolia.com

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“Wirtschaft-vertraulich”:

Liebe Leser,

im Bundesjustizministerium wird derzeit an einem Gesetzentwurf gearbeitet, der entscheidende Veränderungen im Insolvenzrecht bringen soll. Das ist auch dringend nötig. Denn in den einschlägigen Paragraphen der Insolvenzordnung schlummern Zeitbomben, die das gesamtwirtschaftliche Leben zum Erliegen bringen könnten. Konkret geht es darum:

Wenn eine Firma Insolvenz anmeldet, darf der Insolvenzverwalter überprüfen, ob im Vorfeld der Pleite durch den Insolvenzschuldner Vermögenswerte weitergegeben wurden, um damit am Ende Gläubiger zu benachteiligen. Das übliche Praxisbeispiel ist dafür die Überschreibung von Immobilien oder Wertgegenständen an den Ehepartner oder Verwandte, um diese vor den Gläubigern in Sicherheit zu bringen.

 

Insolvenzverwalter darf 10 Jahre rückwirkend Zahlungen anfechten

Entdeckt der Insolvenzverwalter solche Übertragungen, kann er nach § 113 der Insolvenzordnung solche Zahlungen oder Übertragungen wegen vorsätzlicher Benachteiligung der anderen Gläubiger anfechten und zurückfordern. Und das sogar rückwirkend für die letzten 10 Jahre.

Allein schon dieser lange Zeitraum stellt sich in der Praxis als immer wieder sehr problematisch heraus. Denn wer kann absehen, dass er in 10 Jahren eine Insolvenz hinlegt? Doch das echte Problem ergibt sich aus der zunehmenden praktischen Anwendung dieses Paragraphen auch im normalen Geschäftsverkehr.

 

Anfechtung auch oft im Eigennutz des Verwalters

Da bei vielen insolventen Firmen mangels Masse das daraus berechnete Honorar des Insolvenzverwalters überschaubar bleibt, versucht dieser natürlich auch im eigenen Interesse die verwertbare Masse zu erhöhen. Denn gestaffelt nach der Höhe der Insolvenzmasse orientiert sich auch seine Grundvergütung, die von 40% der Insolvenzmasse (bis 25.000 Euro) bis 0,5% (ab 50 Mio. Euro) reicht.

Folge: Die Kammergewichte warnen, dass nicht nur seit Jahren immer mehr Insolvenzanfechtungen zu verzeichnen sind, sondern dass sich diese auch zunehmend auf den normalen Geschäftsverkehr beziehen. Was unter Umständen für die betroffenen ehemaligen oder aktuellen Geschäftspartner des Insolvenzschuldners dramatische Folgen, bis hin zur eigenen wirtschaftlichen Existenzbedrohung haben kann.

 

Aus Anfechtung kann Existenzbedrohung des Zahlungsempfängers entstehen

Denn viele Gerichte urteilen noch immer vollkommen praxisblind, dass Geschäftspartner frühzeitig (nach geltendem Recht also bis zu 10 Jahre im voraus) hätten feststellen können – und müssen – dass ihr Kunde insolvenzbedroht sei. Dabei gelten regelmäßig schleppende Zahlungen und häufige Mahnungen als entsprechendes Indiz für eine drohende Zahlungsunfähigkeit. Mit dem Resultat, dass selbst normal vereinnahmte Gelder für Lieferungen und Leistungen plötzlich als eben vorsätzliche Benachteiligung klassifiziert und zurückgefordert werden können.

Mit Blick auf den 10-Jahres-Zeitraum können die Rückforderungen schnell Größenordnungen erreichen, die den Lieferanten selbst in die Pleite treiben. Die einzige Schlussfolgerung daraus wäre, dass Sie sofort jegliche Geschäftsbeziehung mit jemandem beenden, sobald dieser in irgendeiner Art und Weise Zahlungsprobleme offenbart.

 

Schwerer Schaden für Wirtschaftskreislauf droht

Doch dürfte klar sein: So wird jede Firma, die auch nur den Hauch eines – oftmals nur kurzfristigen – Liquiditätsproblems hat, gleich zum Insolvenzkandidaten, weil keiner mehr Geschäfte mit ihr machen will. Und kein Lieferant oder Auftragnehmer kann sich sicher sein, sein erarbeitetes Geld auf Dauer behalten zu können.

Wie soll da noch der Wirtschaftskreislauf am Leben gehalten werden, wenn sich alle dieser Problematik bewusst würden? Das nötige grundsätzliche Vertrauen und Planungssicherheit wären dahin.

 

Geplante Reform packt die zwei Hauptrisiken an

Deshalb ist es auch richtig und wird hoffentlich bald auch umgesetzt, dass die Insolvenzordnung in diesem Punkt überarbeitet wird. Die beiden wichtigsten geplanten Neuerungen: Die bisherigen 10-Jahres-Frist soll auf 4 Jahre verkürzt werden.

Außerdem soll aus der Benachteiligung anderer Gläubiger eine „unangemessene Benachteiligung“ werden. Damit dürften die meisten normalen Geschäftsbeziehungen aus dem Schneider sein. Wann es zum neuen Gesetz kommt, ist allerdings noch offen. Wir werden Sie aber auf dem Laufenden halten.

Mit besten Grüßen

Ihr Redaktionsteam „Wirtschaft-Vertraulich“, aus der Redaktion des Deutschen Wirtschaftsbriefs

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