Urteil zur Versicherungspflicht von freien Berufen

Sozialversicherung für freie Berufe: Neue Risiken

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“Wirtschaft-vertraulich”:

Wenn Sie in den freien Berufen tätig sind, müssen Sie auf ein neues Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts achten.

Unter dem Aktenzeichen B 12 R 3/11 R haben die Sozialrichter zu der Frage Stellung bezogen, ob Angehörige freier Berufe bei einem Arbeitsplatzwechsel eine nochmalige Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht beantragen müssen.

In der Praxis war es bislang üblich, dass sich Angehörige freier Berufe – zum Beispiel Ärzte, Rechtsanwälte oder Architekten – einmal zum Beginn ihrer Tätigkeit von der gesetzlichen Versicherungspflicht befreien lassen. Danach haben viele in berufsständische Versorgungswerke eingezahlt, was in der Regel finanziell günstiger ist.

 

Bislang genügte einmalige Befreiung von Versicherungspflicht

Ein Modell, das selbst bei der gesetzlichen Rentenversicherung bislang auf keine Probleme stieß. Vielmehr nahm auch die Deutsche Rentenversicherung als Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung an, dass eine einmalige Befreiung quasi für ein Berufsleben lang reicht.

Das sehen die Bundessozialrichter aber vollkommen anders. Im genannten Verfahren ging es konkret um einen Arzt im Praktikum, der später zu einem Pharmaunternehmen als so genannter „Medical Manager“ wechselte. Dabei stellte er keinen erneuten Antrag auf Befreiung von der Sozialversicherungspflicht, was ihm und seinem Arbeitgeber nun zum Verhängnis wurde.

Denn nach einer Betriebsprüfung sollten Rentenbeiträge in Höhe von rund 40.000 € wegen der fehlenden Nicht-Befreiung nachgezahlt werden. Das Bundessozialgericht gab im folgenden Verfahren der Rentenversicherung dabei grundsätzlich Recht.

 

Ein hohes finanzielles Risiko droht

Wenn Sie als Angehöriger der freien Berufe ebenfalls seit Ihrer Erstbefreiung einen Arbeitsplatzwechsel vollzogen haben, könnte deshalb auf Sie ein großes finanzielles Risiko zukommen.

Zwar verhandeln die Arbeitgeberverbände seit Wochen mit den Behörden, um eine finanziell tragbare Lösung zu finden. Doch bislang nennt die Rentenversicherung als Stichtag für Altfälle den 31. Oktober 2012, als das Urteil vom Bundessozialgericht gefällt wurde. Und selbst das nur unter der Maßgabe, dass die neue Tätigkeit nur unwesentlich von der früheren Tätigkeit abweicht.

In allen anderen Fällen wurden bereits nach entsprechenden Betriebsprüfungen hohe Nachforderungen gestellt. Diese gehen nach Auskünften von mit der Sache beschäftigten Rechtsanwälten bis in einen sechsstelligen Betrag.

 

Bei Arbeitsplatzwechsel unbedingt erneut befreien lassen

Für Sie als möglicherweise Betroffener bedeutet das konkret: Haben Sie einen Arbeitsplatzwechsel vollzogen, müssen Sie unbedingt erneut die Befreiung von der Sozialversicherungspflicht beantragen.

Doch gibt es dabei erneut ein großes Problem: Denn wie von anderen Betroffenen zu hören ist, brauchen die zuständigen Behörden aufgrund der Antragsflut bereits bis zu sechs Monate, um überhaupt eine Eingangsbestätigung des Antrages zu verschicken.

 

Sie müssen auf jeden Fall zahlen

In der Zwischenzeit sind Sie aber verpflichtet, die anfallenden Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen. Nicht nur, dass sich daraus eine Doppelbelastung mit den Zahlungen an die bisherige Kasse ergeben dürfte.

Hinzu kommt, dass bislang völlig unklar ist, ob Sie bei einer späteren Befreiung dieses eingezahlte Geld wieder zurückbekommen. Angesichts der gesamten Struktur und Denkweise der gesetzlichen Rentenversicherung würde ich nicht darauf wetten.

Gesetzgeber und/oder Gerichte müssten hier aktiv werden. Doch das wird dauern. Wenn es etwas Neues gibt, werde ich Sie informieren.

Mit besten Grüßen

Carsten Müller
Chefredakteur: „Wirtschaft-vertraulich“ und „www.deutscher-wirtschaftsbrief.de“

Bildnachweis: Gevestor

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