Zinspolitik: Notenbanken in der Zwickmühle

Notenbanken in der Klemme

Notenbanken in der Klemme

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“Wirtschaft-vertraulich”:

Schauen Sie als Investor auch immer so gebannt auf die Notenbanken diesseits und jenseits des Atlantiks? Wenn man die letzten Jahre Revue passieren lässt, fällt auf, dass die führenden Notenbanken ihre Stellung innerhalb des Marktes neu definiert haben. Nicht immer ganz freiwillig, aber mit ähnlichem Ergebnis.

Das trifft vor allem für die US-Notenbank Fed als auch für die Europäische Zentralbank EZB zu. Die wichtigste Änderung dabei: Man ist vom Korrektiv außerhalb zum Akteur innerhalb des Marktes geworden.

Das mag Sie auf den ersten Blick verwundern. Schließlich haben Notenbanken seit jeher in den Markt eingegriffen, wenn es nach deren Meinung Fehlentwicklungen gab. Das galt nicht nur für die Steuerung der Marktrenditen durch eine entsprechende Zins- und Geldpolitik, sondern beispielsweise auch bei Devisen-Interventionen.

 

Notenbanken haben eigenes Risiko aufgebaut

Dennoch: Heute ist die Lage eine andere. Denn durch den massenhaften Kauf von Staatsanleihen und der damit einhergehenden Ausweitung der Bilanzen haben die jeweiligen Notenbanken eigene Risikopositionen geschaffen, durch welche die Währungshüter nicht mehr gänzlich frei sind in ihrem Handeln.

Dieses Problem ist den Notenbanken durchaus bewusst. Allerdings reicht es bislang nur zu allenfalls kosmetischen Korrekturen. Schaut man auf die Bilanz der EZB, wird im Markt der Umstand gefeiert, dass diese inzwischen deutlich rückläufig ist. Doch wird dabei übersehen, dass dieser Rückgang der Bilanzsumme fast ausschließlich durch die Rückführung von so genannten Tendern – Kredite an Geschäftsbanken – in Milliardenhöhe zustande kam.

 

Fragwürdige Sicherheiten

So bleibt das eigentliche Problem der EZB noch ungelöst. Dieses besteht darin, dass sich der Anteil eher fragwürdiger Sicherheiten für EZB-Kredite wohl weiter erhöht haben dürfte. So gehörten nach letzten Zahlen neben Staatsanleihen auch immer mehr so genannte nicht marktgängige Wertpapiere zu den Sicherheiten.

Deren Wert leitet sich aus theoretischen Berechnungen ab, die aber nicht ohne weiteres überprüfbar sind. In der Praxis bedeutet das aber, dass niemand wirklich sagen kann, ob diese Wertpapiere im Ernstfall als Kreditsicherheit taugen.

Auf der anderen Seite des Atlantiks ist die US-Notenbank noch nicht einmal so weit, um überhaupt an eine Reduzierung der Bilanzsumme zu denken. Zwar hat man nun schon in mehreren Schritten das Volumen der Anleihenkäufe reduziert (das so genannte Tapering). Doch geht es hier letztlich nur um eine geringere Aufstockung der Bilanz und noch lange nicht um eine Rückführung.

 

Spagat zwischen eigenem Interesse und notwendiger Zinspolitik

Aus dieser Situation heraus werden die Notenbanken schon allein im eigenen Interesse sehr vorsichtig mit einer Zinswende umgehen. Man merkt es schon an den derzeit veränderten Bezugsgrößen für eine Zinseinschätzung. Galt bislang z. B. bei Fed und Bank of England eine bestimmte Arbeitslosenquote als entscheidend für eine Zinswende, soll es nun ein Korb verschiedener Indikatoren sein. Für mich ein klarer Beweis, dass man Zinserhöhungen hinausschieben will.

Für Sie als Anleger heißt das konkret: Die Phase niedriger Zinsen dürfte noch mindestens weit in das nächste Jahr hinein Bestand haben. Damit bleiben Aktien bei Geldanlagen erste Wahl.

Mit besten Grüßen

Carsten Müller
Chefredakteur: „Wirtschaft-vertraulich“ und „www.deutscher-wirtschaftsbrief.de“

Bildnachweis: Gevestor

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