Stoppt das Bundesverfassungs-gericht die Europäische Zentralbank?

Stoppt Karlsruhe die EZB?

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“Wirtschaft-vertraulich”:

Sicherlich haben auch Sie bereits gelesen oder gehört: Seit gestern soll sich Historisches vor dem Bundesverfassungsgericht (BVG) in Karlsruhe abspielen.

Denn die obersten Verfassungshüter müssen darüber urteilen, ob die europäische Zentralbank (EZB) ihre Kompetenzen überschritten hat.

Es geht um die Rettung des Euro und die von der EZB im letzten Jahr angekündigten Anleihenkäufe.

 

EZB in Erklärungsnot

Eigentlich scheint die Sachlage klar: Die beiden Hauptaufgaben der EZB bestehen in

–       Wahrung der Preisstabilität und

–       Stärkung des Euro als Gemeinschaftswährung

Von der Aufgabe, marode Staatshaushalte durch Anleihenkäufe am Laufen zu halten, steht nichts im Mandat der Zentralbank. Im Gegenteil: Staatsfinanzierung ist ihr sogar explizit verboten.

 

Hat die Europäische Zentralbank falsch gehandelt?

Und darum dreht es sich vor dem Richtertisch in Karlsruhe. Hat die EZB nun dieses Verbot verletzt oder nicht?

Und wenn eine Verletzung bejaht wird, durfte sie dies angesichts der schwierigen Situation in der Euro-Zone?

Im Verfahren gibt es viele Kläger: Professoren, Bürger, Parteien. Deren Ablehnung der EZB-Maßnahmen und auch des ebenfalls zu verhandelnden Rettungsschirms ESM ist bekannt.

 

Offener Konflikt zwischen EZB und Bundesbank

Weitaus spannender war vor allem am gestrigen ersten Tag der mündlichen Verhandlung, dass der grundsätzliche Konflikt zwischen der Deutschen Bundesbank und der EZB offensichtlich wurde.

Die EZB sitzt zwar nicht auf der Anklagebank. Und die Bundesbank ist auch nicht in der Funktion des Anklägers unterwegs.

Aber unterschiedlicher können die Meinungen zur Euro-Rettung und den dazu nötigen Mitteln nicht sein.

Hier wird ein Konflikt zwischen zwei der wichtigsten Institutionen in der Euro-Zone sichtbar, die eigentlich auf das Engste verbunden sein sollten.

 

Darum geht es der Bundesbank

Die Unterschiede in den Auffassungen sind gravierend:

1. Die EZB will den Bestand des Euro gewährleisten. Die Bundesbank meint, dass die EZB eine Garantie für die Zusammensetzung der Währungsunion nicht leisten kann und letztlich auch nicht sollte.

2. Nach Aussagen der EZB kommen ihre geldpolitischen Maßnahmen nicht in allen Euro-Ländern an. Die Bundesbank meint, dass die entstandenen Unterschiede in den Marktzinsen nicht im Widerspruch zu einer einheitlichen Geldpolitik stehen.

3. Die EZB meint, Verluste aus den bisher getätigten oder angekündigten Maßnahmen tragen zu können. Dies gilt insbesondere für die Anleihenkäufe. Die Bundesbank sieht das nicht so. Sie fürchtet, dass am Ende die Bundesregierung und damit der deutsche Steuerzahler einspringen müssen.

 

Wird das Bundesverfassungsgericht die EZB stoppen?

Am Ende soll nun das Bundesverfassungsgericht entscheiden, wer Recht hat. Eine Aufgabe, die eigentlich unlösbar erscheint.

So sollten Sie auch nicht zu viel von den Karlsruhern Richtern erwarten. Die Richter hatten schon bei der vorläufigen Erlaubnis des Rettungsschirms ESM gezeigt, worauf es ihnen ankommt.

Sie können und wollen der EZB nicht in die Parade fahren. Doch sie wollen die Politik, also das Parlament verpflichten, seiner Verantwortung und seinen Mitspracherechten gerecht zu werden.

 

Diese Urteile könnte es geben

Zwei mögliche Urteils-Szenarien halte ich für möglich. Entweder werden die EZB-Maßnahmen faktisch gerügt, deren Beurteilung aber in die Hände des Parlaments gelegt.

Oder das Verfahren wird an den Europäischen Gerichtshof weitergereicht. Von dort ist aber schon bekannt, dass hier eher Schützenhilfe für die EZB zu erwarten ist.

Auch, wenn der gestrige und heutige Verhandlungstag noch länger die Schlagzeilen beherrschen werden: Ein Urteil ist erst im Herbst zu erwarten.

Das Erregungspotenzial im Markt und in der Politik bleibt also kurzfristig überschaubar.

Am Ende werden auch die deutschen Verfassungsrichter wohl kaum das Ende des Euro anstoßen.

Insofern ist die aktuelle Verhandlung zwar lehrreich, mit welchen Argumenten die Akteure im Rettungs-Betrieb hantieren. Einen neuen Weg aus der Krise wird aber auch das BVG nicht erzwingen.

Mit besten Grüßen

Carsten Müller
Chefredakteur: „Wirtschaft-vertraulich“ und „www.deutscher-wirtschaftsbrief.de“

Bildnachweis: Gevestor

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